Künstliche Intelligenz verändert die Medienbranche gerade fundamental. Prozesse werden verändert, es entstehen neue Geschäftsmodelle, neue Softwarelösungen werden im Alltag eingesetzt. All dies sind Veränderungen, die Journalisten und Unternehmenskommunikatoren vor neue Herausforderungen stellen, aber auch vor Fragen wie „Werde ich bald überflüssig?“, „Wie viele Veränderungen muss ich noch mitmachen?“ oder „Warum müssen auch wir auf diesen Zug aufspringen?“. All dies sind berechtigte Fragen, und all dies lässt sich durch ein strukturiertes und professionelles Change Management zum Positiven wenden.
Change Management bedeutet, die menschliche Seite des Wandels zu begleiten. Denn die meisten Veränderungsprojekte scheitern nicht an der technischen Umsetzung, sondern weil die Mitarbeitenden nicht mitziehen. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels ist es aber nicht nur eine Nettigkeit der Geschäftsleitung, auf die eigenen Mitarbeiter zu achten, sondern schlichtweg betriebswirtschaftlich sinnvoll. Prosci, ein US-amerikanisches Change-Management-Unternehmen, nennt immer drei Gründe, warum dies wichtig ist: Man verliert erstens möglichst wenige Mitarbeiter durch die Umstellung, die Dauer der Umgewöhnungsphase wird zweitens möglichst kurz, und drittens wird die Veränderung (zum Beispiel eine neue Software) mit möglichst allen Vorteilen umgesetzt.
Aber wie sieht Change Management aus?
Zunächst bedarf es einer IST-Analyse, wo die Mitarbeitenden beim konkreten Wandel stehen und welche vorherigen Projekte erfolgreich waren, welche gescheitert sind. Dies klappt meist durch eine (Online-)Befragung, Leitfadeninterviews oder ein Gruppengespräch. Anschließend plant ein Change Manager die Maßnahmen, die sich je nach Unternehmen und dem Ergebnis der IST-Analyse unterschiedlich gestalten.
Ein großer Block ist jedoch in jedem Fall Kommunikation: Betriebsversammlungen, Einzelgespräche mit direkten Vorgesetzten, Beiträge im Intranet oder auch ein Change-Podcast. Weitere Maßnahmen können je nach Veränderungsprojekt auch mal ein Tag der offenen Tür zum Beispiel vor der Einweihung eines neuen Newsrooms, eine Wand in der Kantine sein, auf die man schreiben darf, was einen an einer jetzigen Arbeitsweise stört oder auch ein Workshop sein. Denn Menschen sind oftmals nicht per se gegen eine Veränderung. Sie wollen diese aber aktiv mitgestalten, statt lediglich verändert zu werden. Insbesondere bei Change Management in der Kommunikationsbranche spielt dies eine bedeutende Rolle, da Medienunternehmen von der intrinsischen Motivation ihrer Mitarbeiter leben.
Das ADKAR-Modell von Prosci
Zahlreiche Change Manager nutzen bei der Konzeption ihrer Maßnahmen das ADKAR-Modell von Prosci. ADKAR ist ein Akronym und steht für Awarness (Bewusstsein), Desire (Wunsch), Knowledge (Wissensvermittlung), Ability (Möglichkeit) und Reinforcement (Verankerung). Zunächst muss bei den Mitarbeitenden ein Bewusstsein geschaffen werden, warum die Veränderung nötig ist und was passieren würde, wenn diese nicht stattfinden würde (womöglich würde man die Marktführerschaft verlieren oder mittelfristig vom Markt verschwinden).
Bei der Einführung von Mobile Reporting könnte dies bedeuten, dass professionelle Journalisten langsamer wären als private Social-Media-User. Anschließend muss der Wunsch geweckt werden, bei der Veränderung aktiv mitzuwirken. Es geht um die Frage: Was springt für einen selbst dabei heraus? Mobile Reporting könnte beispielsweise die eigene Reichweite steigern; die Beiträge des Journalisten werden stärker wahrgenommen. Erst im dritten Punkt geht es um Schulungen (in diesem Fall Videoschnitt am Smartphone etc.). Viertens muss die Möglichkeit geschaffen werden, auch so zu arbeiten. Es braucht also ein Diensthandy, genügend Datenvolumen und auch ausreichend Zeit vor Ort für die Journalisten. Schlussendlich muss die neue Arbeitsweise verankert werden.
Kommunikation ist der Schlüssel
Das ADKAR-Modell klingt genauso plausibel wie ein paar einfache Kommunikationsregeln. In der Praxis wird dies jedoch häufig nicht angewendet, was zum Scheitern von Transformationsprozessen führen kann. Die Kommunikation sollte offen und transparent sein. Sowohl direkte Vorgesetzte als auch die Chefetage sollten hier an einem Strang ziehen. Wenn man einmal etwas erklärt, wirkt es wie kein Mal: Es bedarf einer kontinuierlichen Kommunikation. Dabei sollte man auch Fehler zugeben, einen Dialog statt Monolog mit den Mitarbeitenden suchen und auf die Ängste der Mitarbeitenden eingehen. Oftmals lösen sich diese im Gespräch nämlich auf.
Zum Autor:
Prof. Markus Kaiser, geb. 1978 in Nürnberg, ist Berater für Change Management, Kommunikation, Social Media, Innovationsmanagement und Leadership sowie Professor für digitalen Journalismus, Medieninnovationen, Recherche, Eventmanagement und Change Management an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm.
Zuvor war er Leiter der Medienstandort-Agentur des Freistaats Bayern, Journalist und Pressesprecher. Seine Forschungsschwerpunkte sind Change Management in der Kommunikationsbranche, das Auto als Medienzentrum der Zukunft und Automatisierung in den Medien (wie Künstliche Intelligenz, Chatbots oder Roboterjournalismus). Von ihm erschienen sind unter anderem die Bücher „Change Management in der Kommunikationsbranche“, „Change Management im Public Sector“, „Transforming Media“ und „Innovation in den Medien“.
An der Akademie für Neue Medien unterrichtet er u. a. das Seminar „KI im Journalismus“.